Burkhard Mönnich malt Porträts, im klassischen Format eines sog. »Schulterstücks«, in Frontalansicht und freigestellt auf weiß grundiertem Nessel.
Die Typen, die unseren Blick aus seinen Gemälden »en face« erwidern, sind das, was man »Charakterköpfe« nennt: vom Leben gezeichnete Individuen. Unverwechselbar ist ihr Ausdruck, ihrem direkten Blick von großer Intensität und Unmittelbarkeit kann man sich nicht entziehen. Und doch, wenn man die Dargestellten von der Leinwand bäte, könnten sie nicht sprechen, nicht mal das vieldeutige und nur vermeintlich empathische »Ach! Ach!«, das die mechanische Puppe Olimpia in der Erzählung »Der Sandmann« von E.T.A. Hoffmann zu äußern in der Lage ist.
Die Konterfeis stellen allesamt Tiere dar – Affen, Katzen, Ziegen, doch ihre Vorbilder sind keine echten Lebewesen, sondern alte, abgeliebte Stofftiere der Firma Steiff, die der Künstler im Internet erwirbt und in Fotosequenzen porträtiert, die ihm die Vorlagen für seine farbigen Gemälde und kleinformatigen Schwarzweiß-Aquarelle liefern.
Industriell und seriell hergestellte, leblose Gegenstände also, als solche zunächst nur willenlose, erbarmungswürdige Objekte wie die erwähnte Olimpia, durch nichts bestimmt als durch ihre Gestalter. Und doch ist jede dieser Vorlagen so individuell gealtert und von ihrer persönlichen Geschichte geprägt, dass keines der Modelle, beispielsweise der Serie »Coco«, dem anderen wirklich gleicht. Und so scheinen sie in der Beziehung mit ihren ehemaligen Besitzern doch alle ihre eigene Rolle gefunden zu haben: Der Schlitzohrige, die Melancholische, der Kindliche, die Verschlagene – denn manche sehen tatsächlich aus, als könnte man sogar ihr Geschlecht erkennen, ihnen weibliche oder männliche Züge zuordnen. Und so kommen diese Gesichter uns nicht nur eigenartig vertraut vor, sondern rühren uns sogar an.
Näh´ einem alten Socken zwei Knöpfe auf und Du kannst ihn nicht mehr wegwerfen: Das magnetische Zentrum dieser Wesenhaftigkeit der gemalten Tiere sind ihre Glasaugen, die eine unwiderstehliche Anziehung ausüben, aber dabei auch zwiespältige Gefühle wecken. Mit Schauder erfüllt, ruft am Ende der Geschichte von E.T.A. Hoffmann der Hauptcharakter, in Wahnsinn gefallen aus: »Ha! Sköne Oke – Sköne Oke!«, denn die zweifache artifizielle Brechung – seines physischen Blicks wie seiner seelischen Wahrnehmung – durch die Gläser eines magischen Fernglases auf die künstlichen Augen der Puppe hat ihm eine trügerische Lebendigkeit vorgegaukelt.
Auch die Protagonisten auf Mönnichs Bildern grüßen vom anderen Ufer des »Uncanny Valley«, weisen sie doch fast alles auf, was ein lebendiges Subjekt besitzt, bis auf dessen Wesentliches: das Leben. Und das empfindet der Betrachter als beklemmend und unheimlich.
Zu dieser zweifelhaften, abgründigen Belebtheit und ambivalenten Wirkung der von Burkhard Mönnich porträtierten »Dinge« trägt auch die Malweise selbst bei: Obwohl Ölmalerei, ist der lasierende Farbauftrag äußerst locker und frei, die weiße Grundierung des Trägers leuchtet zwischen den Pinselschwüngen auf und erzeugt die lichten Höhungen der umgebenden Farben. Der Pinselduktus verselbstständigt sich und löst die gegenständliche Einheit der darstellten Körper in einer näheren Ansicht beinahe vollständig auf: Der Gegenstand liefert mit einem Mal lediglich den Anlass für die Malerei.
In Thomas Manns »Doktor Faustus« züchtet der Vater von Adrian Leverkühn Wasserglasblumen aus Kristallen. Ihre Schönheit fasziniert ihn und rührt ihn gleichzeitig zu Tränen, da er tiefe Traurigkeit darüber empfindet, wie »sehnsüchtig« die tote Materie die lebendige zu imitieren sucht.
Jedes perfekt gemalte Stillleben löst eine vergleichbare Melancholie aus, ja, umso prachtvoller der Trug gelingt, die saftige, blühende, geilende und gärende Natur möglichst getreu nachzuahmen, desto wehmütiger und schmerzvoller ist die Einsicht ihrer Künstlichkeit, die dem Staunen unweigerlich folgt.
In der Umkehrung hat Malerei auch schon immer tote Materie zu etwas Lebendigem gewandelt – nicht zuletzt aus der beschriebenen Wehmut motiviert. Dieses Vermögen von Malerei interessiert Burkhard Mönnich und sein eigentliches Sujet ist nicht das Dargestellte, sondern die Untersuchung: Was macht das Licht mit dem Gegenstand, wie wandelt sich das Gesehene im Malprozess?
Burkhard Mönnich ist 1966 in Essen geboren und hat sein Studium an der Kunstakademie Düsseldorf als Meisterschüler von Michael Buthe abgeschlossen; der Künstler lebt und arbeitet in Köln.
Birgit Laskowski
Die Ausstellung „Sköne Oke“ wird begleitet von Graphik des US-amerikanischen Künstlers Alex Katz.
Die Werke von Alex Katz, geb. 1927 in Brooklyn, New York, sind der Pop Art zuzuordnen. Berühmt ist er geworden für seine ikonischen Portraits selbstbewusster New Yorker Bürger, hauptsächlich von Frauen. Charakteristisch für ihn sind die in der Ausstellung gezeigten überlebensgroßen Köpfe und ihre vereinfachte, flächenhafte, fast schablonenartige Gestaltung, wobei der Gesichtsausdruck, ähnlich wie auf Werbeplakaten, auf das Wesentliche reduziert ist. Eine große Einzelausstellung hatte Alex Katz vergangenes Jahr im Museum Brandhorst in München.