„Ich zog in den Wald, weil ich den Wunsch hatte, mit Überlegung zu leben, dem eigentlichen, wirklichen Leben näher zu treten, zu sehen, ob ich nicht lernen konnte, was es zu lehren hätte, damit ich nicht, wenn es zum Sterben ginge, einsehen müsste, dass ich nicht gelebt hatte. Ich wollte nicht das leben, was nicht Leben war; das Leben ist so kostbar. Auch wollte ich keine Entsagung üben, außer es wurde unumgänglich notwendig. Ich wollte tief leben, alles Mark des Lebens aussaugen, so hart und spartanisch leben, dass alles, was nicht Leben war, in die Flucht geschlagen wurde.“
Henry David Thoreau: Walden, 1854
Ein Leben mit der Natur. 1845, mit achtundzwanzig Jahren, zieht sich Henry David Thoreau an den Walden – See in den einsamen Wäldern von Massachusetts zurück, um fern aller Zivilisation zwei Jahre lang ein Leben im Einklang mit der Natur zur erproben. Der Bericht seines radikalen Selbstexperiments, das Buch „Walden“ ist zum Klassiker und Kultbuch des alternativen Lebens geworden.
Das berühmte Zitat aus Walden beschwört die Sehnsucht des Menschen nach einem Leben in ursprünglicher Natur, weit weg von den Schattenseiten der Zivilisation, und ganz nah an einem intensiven Lebensgefühl.
Die Galerie Susanne Neuerburg zeigt in ihren Räumen verschiedene künstlerische Positionen zum Verhältnis des Menschen zum Wald.
Er kann als Ort der Sehnsucht, als Rückzugsort gesehen werden, aber auch als Ort des Keimens und des Sterbens, der Wildnis und der Vergänglichkeit. Für den einen kann der Wald beschützend wirken, für den anderen bedrohlich. Idyll und Schrecken liegen im Wald nah beieinander.
Die Themen der Ausstellung behandeln die tradierte Vorstellung des Waldes als Sinnbild der Natur, über seine Bedeutung als Zeitzeuge des Klimawandels bis hin zum Wald als mythischem und mystischem Ort.
Lars Breuer (geb. 1974 in Aachen) zeigt seine 2011 entstandene Foto- Serie „Im Reich der Flora“, die aus 168 Schwarz/Weiß – Fotografien besteht.
Es sind Aufnahmen von Bäumen aus dem Wittgensteiner Land, die durch Stürme – angefangen mit dem Orkan Kyrill – umgeworfen, zerrissen oder gekappt wurden.
Es scheint eine nüchterne Bestandsaufnahme der Zerstörung zu sein, die streng formalistische Hängung, das gleiche Format, der gleiche Blickwinkel unterstreichen den dokumentarischen Anspruch. Dennoch: Trotz der betont sachlichen künstlerischen Darstellung lassen die Verletzungen dieser Nutzpflanzen den Betrachter nicht unberührt.
Behrang Karimis (geb. 1980 in Shiraz/Iran) Bilder bergen das merkwürdige Tun rätselhafter Figuren. Mit unwirklich leuchtenden Farben und wechselnden Blickwinkeln erzielt er eine magisch realistische Wirkung. Er zeigt phantastische Traumvisionen, die im Wald angesiedelt sind. Die Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Malerei, mit Raum und Fläche, das Spiel mit Abstraktion und Figuration, mit Form und Farbe sind aber für ihn genauso wichtig wie seine Motive.
Matthias Loh (geb. 1984 in Duisburg) widmet sich in seinen Bildern der idyllisch-romantischen Seite des Waldes: der Möglichkeit sich dort zu verstecken, dem Liebesnest, dem Rendez-vous im Verborgenen.
Der Wald ist hier der Ort einer Phantasiewelt, in die hübsche Mädchen aus ihrer eigenen Realität hin geflohen zu sein scheinen. Mittels Kitsch, Klischee und Realitätsbezügen unterwandert Loh unsere Erwartungen an die vermeintliche Idylle. Es ist eine trügerische Phantasiewelt, denn meist irritiert ein Detail den Blick des Betrachters und verleitet ihn zum Umdenken.
Julian Wachendorf (geb. 1992 in Köln) zeigt in seinen Videos den Wald als Ort der Weltflucht. Den Ort zur Besinnung, zur Reflektion, und zur zermürbenden Selbstbefragung. Der Wald als Spiegel der Seele – wie in der Romantik – ist seine Inspirationsquelle und sein Thema.
Er fragt sich, ob der Wald als der Sehnsuchtsort der Romantik in der heutigen Zeit noch bestehen kann. In Videoinstallationen, Live-Performances und skulpturalen Arbeiten schärft er das Auge für Details.
Seit einigen Jahren ist Julian Wachendorf zudem Musiker und Texter. Sein fragmentarischer Schreibstil lehnt sich an die Lyrik des 18. und 19. Jahrhunderts an, bezieht sich allerdings auf die gegenwärtige Gesellschaft.
Zu den Werken der heutigen Künstler, allesamt ausgebildet an der Düsseldorfer Kunstakademie, werden Graphiken von Alfred Kubin (1877-1959) gestellt, die auf karikaturistische Weise Themen der Märchenliteratur zeigen: Die böse Hexe und der einfältige Ritter im Walde.